Das „Bremer Modell“ zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen hat sich bewährt. Bremen und Bremerhaven waren die ersten Kommunen, in denen bereits 1993 ein umfassendes Konzept zur Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge („Bremer Gesundheitsprogramm“) auf den Weg gebracht wurde. Damit sollten die Zugangschancen zum Gesundheitssystem und die Wohn- und Lebensbedingungen verbessert werden. Mit diesem „Bremer Modell“ wird neben einer Absicherung der Gesundheitsleistungen über die GKV auch auf eine Vernetzung der an der Versorgung von Flüchtlingen beteiligten Organisationen gesetzt. Im Zentrum des Gesundheitsprogramms steht die angemessene Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen.
Die in Bremen ausgegeben Chip-Karten enthalten keinen Hinweis auf einen eingeschränkten Behandlungsanspruch nach dem AsylbLG. Der Personenkreis ist nur an der Code-Nr. auf der Karte zuerkennen ebenso wie auch die Versicherten nach § 264 II SGB V. Allerdings gibt es einige Leistungsvorbehalte, bei denen das Sozialamt entscheidet: für Psychotherapien, DMP (Disease-Management-Programm), Zahnersatz. Hier finden entsprechende Begutachtungen statt.
Seit 2012 hat auch Hamburg das Modell übernommen und entsprechende Vereinbarungen mit den Kassen getroffen. Weitere Kommunen bspw. in Mecklenburg-Vorpommern sind bereits gefolgt bzw. streben dies an.
Die Absicherung deren Krankenbehandlung durch eine gesetzliche Krankenkasse würde auch in Nideggen die Ausgangsbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge deutlich verbessern.
Für die Sozialverwaltung entfällt mit diesem Modell die Prüfung der Bewilligungsfähigkeit der beantragten Krankenbehandlung. Ferner erfolgt die spätere Abrechnung über die Krankenkassen, mit denen eine Vereinbarung getroffen wurde. Die Erfahrungen aus Bremen zeigen, dass dieses Verfahren auch eine Entlastung der Kommunalverwaltung ist.
Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Umsetzung des „Bremer Modells“ für die zuständige Gebietskörperschaft kostenneutral erfolgen kann.
Die Landesregierung NRW hat im Rahmen des „Flüchtlingsgipfels“ am 24.10.2014 mitgeteilt, dass sie beabsichtigt die Ausgaben für Unterbringung und Betreuung im kommenden Jahr um rund 25 Prozent aufzustocken. Bislang waren 143 Millionen Euro vorgesehen. Für die Kommunen soll die Kostenpauschale um weitere 40 Millionen Euro angehoben werden.
Für die psychologische und soziale Betreuung der Flüchtlinge sollen die Mittel von 3,5 Mio. auf 7 Mio. Euro erhöht werden. Für Schwerkranke, deren medizinische Versorgung die Kommunen derzeit alleine tragen, wird ein Sondertopf geschaffen. Hierzu wird ein Härtefallfonds in Höhe von drei Millionen Euro eingerichtet, mit dem Kosten für medizinische Behandlungen und Pflege von Flüchtlingen übernommen werden, die über 70.000 Euro liegen. Außerdem wird ein dezentrales Beschwerdemanagement für die Flüchtlinge aufgebaut.
Der Haushalt 2015 des Landes NRW wurde im Dezember beschlossen. Damit kann die finanzielle Zusage in Anspruch genommen werden.
Begründung:
Leistungsberechtigte nach § 2 AsylbLG, also Personen, die länger als 48 Monate in Deutschland und im Leistungsbezug sind, können bereits jetzt mit der Chip-Karte einer gesetzlichen Krankenkasse nach Wahl einen Arzt/eine Ärztin ihrer Wahl aufsuchen. Für alle anderen Flüchtlinge ist das AsylbLG gerade bezogen auf die gesundheitliche Versorgung problematisch. Zum einen ist der Zugang zum Gesundheitssystem durch die Beantragung der medizinischen Leistungen beim Sozialamt erschwert, zum anderen ist der Leistungsumfang nach §§ 4 und 6 AsylbLG erheblich eingeschränkt. Die im AsylbLG vorgesehenen Leistungseinschränkungen sind in der Praxis oft umstritten und führen nicht selten zu zeitlichen Verzögerungen der Behandlung zu Lasten der Patienten.
Gemäß § 264 Abs. 1 SGB V (Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung) können bereits jetzt die kreisfreien Städte und Kreise die Krankenbehandlung für Flüchtlinge, Asylbewerber*innen und Geduldete auf die Krankenkassen übertragen.
Durch die Ausstattung mit KV-Karten könnten Flüchtlinge und Asylsuchende ihre Versorgung über eine Versichertenkarte die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, ohne in jedem Fall eine Bewilligung der zuständigen Dienststellen einholen zu müssen. Dies bedeutet einen gleichberechtigten Zugang zu gesundheitlichen Leistungen bei Ärzt*innen, in Krankenhäusern und bei sonstigen Leistungserbringer*innen, wie bei den anderen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auch.
Dieses Verfahren würde die Gesundheitsversorgung deutlich verbessern und auch zur „Normalität“ im Alltag der Betroffenen bei der Inanspruchnahme der Leistungen im Gesundheitswesen beitragen. Der zusätzliche Weg über das Sozialamt entfällt.
Ziel dieser Übertragung auf eine gesetzliche Krankenkasse ist es also eine professionelle, bessere und zugleich auch effektivere Krankenbehandlung der Flüchtlinge und Asylbewerber*innen zu gewährleisten.
Die Erfahrungen aus Bremen zeigen, dass sich durch das Projekt in erheblichen Umfang administrative Kosten einsparen lassen (z.B. bei der Abrechnungsstelle, der Administration der Krankenhilfe nach AsylbLG, oder entsprechende Amtsarztkosten). So hat auch nach den Erfahrungen der AOK in Bremen und Hamburg (die dort die Versicherung dieses Personenkreises übernommen hat) die Ablösung der speziellen Genehmigungspflicht von Leistungen der Krankenbehandlung durch den ÖGD weder zur Beeinträchtigung der Versorgungsqualität noch zu Kostensteigerungen geführt.
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Nideggen beschließt
1. Die Stadt Nideggen will die medizinische Regelversorgung für Flüchtlinge und Asylbewerber*innen verbessern und deren Krankenbehandlung auf eine gesetzliche Krankenversicherung in Anlehnung an das „Bremer Modell“ übertragen. Hierbei erhalten Leistungsberechtigte nach §§ 4 und 6 AsylbLG eine Krankenversicherten-Chipkarte der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Die Verwaltung wird beauftragt initiativ zu werden und den Kreis Düren aufzufordern Verhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen aufzunehmen, um eine entsprechende Vereinbarung auf Grundlage des § 264 Absatz 1 SGB V zu treffen für Nideggen und andere kreisangehörige Kommunen.
3. Die Stadt Nideggen bittet die kommunale Gesundheitskonferenz des Kreises, über die bislang vereinbarten Themenschwerpunkte hinaus das Thema gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Nideggen und anderen kreisangehörigen Kommunen mit zu bearbeiten und hierbei auch die hieran beteiligten Akteure aus dem Gesundheitswesen und die örtlichen Flüchtlingsorganisationen mit einzubinden.